Montag, 8. Oktober 2012

Erste Review zum Album: Circles - Where Moments Fade (BabyBlaue-Seiten)

http://www.babyblaue-seiten.de/album_12949.html#oben


Es tut sich was im teutonischen Progrock-Untergrund. Nachdem die deutsche Szene in den 90ern und frühen bis mittleren 2000ern vor allem von Bands wie Sieges Even (sowie deren Nachfolgern von Subsignal), RPWL, Sylvan oder Alias Eye repräsentiert wurden, machten zuletzt vor allem ‚jüngere‘, aufregende Gruppen wie Relocator oder die Franken von Effloresce von sich reden. Zu diesem illustren Kreis könnten (lies: sollten) vielleicht auch bald die bereits 2004 im pfälzischen Hinterweidenthal gegründeten Gentlemen von Circles gehören (no pun intended). Nachdem man über Jahre v.a. lokalerer Livegigs und diversen Besetzungswechseln bereits einiges Material komponiert hatte, wurde im Mai 2012 schließlich das Debüt-Album Where Moments Fade in Eigenregie veröffentlicht. Lyrisch geht es auf diesem Konzeptwerk um eine Dreiecksbeziehung voll Leidenschaft und Eifersucht, die in einem tragischen Mord, den folgenden Schuldgefühlen und der schlussendlichen Verurteilung des Mörders gipfelt.

Das 17minütige Titelstück eröffnet mit perlendem Piano und heftig rockenden Gitarren, die durchweg für mächtig Drive und Spannung sorgen, bevor man sich – in bester Progmetal-Manier – erstmalig ganz dem Fluss der Instrumente ergibt. Dabei wird zwar das Rad vielleicht nicht neu erfunden, aber mit so viel Variabilität, Melodie und sogar Groove musiziert, dass man die Freude, den die Herren dabei gehabt haben müssen, regelrecht hören kann. Plötzlich meint man gar, sich in eine Fusion-Jazzbar verirrt zu haben … dann tanzt man unwillkürlich Samba … oder war das Funk? Aber nein, den tanzt man ja eher nicht! Vielleicht sollte man als Genre also einfach „geil“ angeben? Der Stilbruch ist vor allem deshalb so verblüffend, weil er den Akteuren mit einer scheinbar spielerischen Leichtigkeit von der Hand geht, wie ich es von einem Erstlingswerk seit Spock’s Beards The Light höchstens noch auf Hakens Aquarius gehört habe. Respekt.

„…Away“ setzt als lockere, gut gelaunte und von Akustikgitarre und Piano getragene Nummer, die Story des Openers stimmig fort, und hält die beschwingt-verspielte Stimmung. Bei „Crossfield J.“ fühle ich mich sofort ins Transsylvanien der guten alten Hammer-Horrorfilme versetzt, oder aber in die Soundtracks der Castlevania-Reihe. Das Stück ist eine instrumentale Achterbahnfahrt voller Breaks und Überraschungen und dürfte für Freunde des gepflegten Gefrickels eine echte Wonne sein.

 Soweit, so beängstigend gut. Wäre der Rest des Albums wie die ersten drei Stücke, ich könnte mich glatt hinreißen lassen von einem der besten Debüts im Progmetal überhaupt zu sprechen. Leider aber können die letzten zwei Stücke auf Where Moments Fade das sehr hohe Niveau der ersten Hälfte nicht halten. Die bewegenden Zeilen des 23. Psalms leiten ein in „Mirror Sky,“ der hier auch in seiner Gänze zitiert wird, und so neben dem Abschluss des Liebesdramas auch noch religiöse Aspekte mit ins Spiel bringt. Vielleicht war man hier einfach thematisch überambitioniert, jedenfalls lässt dieser Longtrack – trotz weiterhin virtuosem Spiel – die Lockerheit und eigene Identität des großartigen Openers vermissen. Stattdessen klingt die Band hier nach Dream Theater, wo man es vorher kein Stück nötig hatte. Mit dem abschließenden „Back in Hell“ wechselt man dann noch einmal überraschend den Stil und schlägt mit dreckigen Gitarren, Hammondorgel und Rockröhre voll in die 70s Hardrock-Kerbe. Nach 90 Sekunden Stille klingt das Album zu ominösen Pianoklängen und geisterhaften Frauengesängen aus. So lässt mich die zweite Hälfte leicht konsterniert zurück: Was war das denn jetzt?

 Musikalisch war das alles einwandfrei. Allein was die Einheit von Text und Musik bei diesem Konzeptalbum angeht wirkt nicht immer alles rund: Die delikate – und sicher nicht sonderlich musikaffine, geschweige denn progrock-taugliche – Thematik des Beziehungs- und Eifersuchtsdramas lyrisch umzusetzen, gelingt mal besser („Where Moments Fade …“ und „...Away“), mal weniger gut („Mirror Sky“). Sänger Endlich sieht sich vor die titanische Aufgabe gestellt, glaubhaft nicht nur zwischen emotionalen Extremen (Entsetzen, Furcht, Zorn, Verliebtheit, Glück, Schuld, Trauer, Verzweiflung etc.) sondern auch verschiedenen Charakteren zu wechseln. Der Eindruck der Unangemessenheit ist vor allem dem stellenweise etwas plumpen und ungrammatischen englischen Text geschuldet, den Endlich zwar mit jeder Menge Herzblut und Einsatz dramatisiert, wobei er aber nicht nur wilde vokale Kapriolen sondern eben auch manchmal über die Stränge schlägt. Wird die menschliche Tragödie dann noch mit Sprachsamples und kontrastierend eher locker-fröhlicher Musik kombiniert, kippt die Stimmung schnell ins Unfreiwillig Komische. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Wem die Texte schnurz sind, der kann diese Kritik freilich ignorieren. Unterm Strich geht es natürlich um die Musik. Und hier überzeugen, nein, brillieren Circles auf voller Strecke, wobei die starke Rhythmussektion ebenso hervorzuheben ist, wie die geschmackvollen Keyboards von Artur Phillip und das ebenso variationsreiche wie gefühlvolle Spiel von Gitarrist Ray Neuhart, der den meisten Stücken klar seinen Stempel aufdrückt. Where Moments Fade ist gespickt mit inspirierten Riffs und mitreißenden Melodien, die vor Spielfreude und Spritzigkeit nur so strotzen. Kurzum: Mit diesem Debüt ist den Pfälzern ein Album gelungen, dass für den Freund des deutschen Progmetal-Untergrunds ein absolutes Muss darstellt, und bei dem sonstig Interessierte zumindest ein Ohr riskieren sollten.

P.S.: Zu letzterem hat man auf ProgSpheres Progstavaganza Sampler, Vol. 10 Gelegenheit, der das Titelstück des Albums zur Gänze enthält.

P.P.S: Beziehen kann man das Album für sehr faire 10€ direkt bei der Band unter order@circlesmusic.de.

Donnerstag, 1. März 2012

SundayEvening

SundayEvening

Track von Ray (Circles)